Frei im Theater: Kein leichtes Mädchen
Eine Ode auf die Doppelmoral

Nach ihrem Schauspieldebüt in Ilse Aichingers "Spiegelgeschichte" präsentiert sich die Sängerin Elisabeth de Roo in ihrem "käuflichen" Liederabend "Kein leichtes Mädchen" nun auch als couragierte Autorin.  | Foto: Andreas Gilgenberg
  • Nach ihrem Schauspieldebüt in Ilse Aichingers "Spiegelgeschichte" präsentiert sich die Sängerin Elisabeth de Roo in ihrem "käuflichen" Liederabend "Kein leichtes Mädchen" nun auch als couragierte Autorin.
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Die bürgerliche Doppelmoral ist und bleibt für Kunst und Literatur, wie es scheint, selbst in unserer vermeintlich offenen Gesellschaft ein unerschöpfliches Thema. Leider. Beim Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel, das Elisabeth de Roo in ihrem von ihr so titulierten „käuflichen“ Liederabend „Kein leichtes Mädchen“ bewusst ausklammert, ist es ja noch ein Leichtes, sich empathisch zu entrüsten. Aber bei selbstbestimmter Sexarbeit wird´s schwierig. Vor allem, wenn sich im Kindergarten plötzlich herumspricht, dass die bis dahin als nett und wohlerzogen wahr genommenen Zwillingsbuben offenbar „Hurenkinder“ sind. Da will dann niemand mehr zur Geburtstagsparty kommen.

Couragierter Dialog 
Elisabeth de Roo, die im Vorfeld mit unzähligen Sexarbeiter:innen gesprochen hat, findet für ihren beeindruckend couragiert gespielten Dialog mit dem Publikum nicht nur den richtigen Ton, sondern erzählt zugleich eine Geschichte, aus der man sich als Zuhörende:r nicht mehr herauswinden kann. Ihre Figur Felicitas, die so wie sie selbst ausgebildete Sängerin ist, hat sich für diesen Weg entschieden, weil sie nach dem urplötzlichen Verschwinden ihrer großen Liebe mit zwei kleinen Kindern und einem Berg Schulden allein dasteht und es ohne staatliche Hilfe schaffen will. Das bringt ihr freilich nicht etwa Respekt, sondern das Hurenstigma ein. Dass Frauen in den so genannten normalen Berufen nach wie vor in zahlreichen Arbeitsverhältnissen für dieselbe Arbeit weniger bezahlt bekommen wie ihre männlichen Kollegen, ist zwar bekannt, aber offenbar weitaus weniger moralisch verwerflich.

Abgründige Kunstlieder
Zwischen ihren ungeschönten Erzählungen, die einerseits betroffen machen, wobei die grandios gespielten Alltagssituationen etwa mit geifernder Nachbarin und näselnder Kindergartenleiterin einen auch herzlich auflachen lassen (Inszenierung: Thomas Lackner), präsentiert sich Felicitas als exzellente Interpretin von abgründigen Kunstliedern, sei es nun Schumans „Er, der Herrlichste von allen“, Korngolds „Versuchung“, Alban Bergs „Nachtigall“ oder Georg Crumbs „Three Early Songs“ – einfühlsam begleitet von Vyara Shuperlieva am Klavier. Ein großartiger Kunstgriff, zeigt er doch eindrücklich auf, dass wir letztlich alle um so viel mehr und so viel vielschichtiger als unser jeweils gewählter Beruf. Dass diese Produktion bis dato nur im Treibhaus Aufnahme fand, spricht allerdings auch Bände.

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